RAILHOO-Report

Türkische Eisenbahngeschichte in aller Kürze

Grob gesagt, kann man die Entwicklung des Türkischen Eisenbahnnetzes in zwei grundsätzliche Epochen aufteilen: a) Bahnen ohne jeglichen Nutzen für das Land und b) Bahnen im Interesse der Türkei. Da es die Chronologie der Ereignisse geradezu aufdrängt, sei zunächst ein Blick auf die unter a) erwähnten Bahnen geworfen.

Kolonialbahnen ohne Kolonie

Die Türkische Eisenbahngeschichte beginnt an sich 1856. Wer jedoch nun glaubt, daß eine lange Vorgeschichte zum Bau der ersten Linien geführt hat, der irrt. 1853 nämlich besetzt das Russische Reich die unter osmanischer Verwaltung stehenden Donaufürstentümer Walachei und Moldau. Die Türkei, genauer gesagt das Osmanische Reichstand zieht gegen Rußland in den Krieg - mit der Unterstützung von England, Frankreich und merkwürdigerweise auch Sardinien. Mit Hilfe der Verbündeten gelingt es, den sogenannten Krimkrieg bis 1856 für sich zu entscheiden, jedoch erfolgte die Unterstützung keineswegs umsonst: Frankreich und England verlangten eine Öffnung des Türkischen Marktes für eigene Waren und Handelsunternehmungen bei gleichzeitigem Abzug türkischer Bodenschätze. Die Motivation der europäischen Großmächte ist einleuchtend: Bestehende Schiffahrtslinien benötigen Versorgungsstationen auf osmanischem Territorium (insbesondere im Hinblick auf den im Bau befindlichen Suezkanal), und die Ausbeutung von fremden Bodenschätzen war zu dieser Zeit ohnehin gängige koloniale Praxis. Kurz, ohne direkt Kolonie gewesen zu sein, wird das Osmanische Reich einer kolonialen Ausbeutung unterworfen. Umgehend entstehen die ersten Eisenbahnen: die Hafenstadt Smyrna (heute Izmir) ab 1856 wird durch die englische Oriental Railway Company (ORC) mit dem fruchtbaren Hinterland im Raum Aydin und Dinar verbunden, und eine französisch-englische Bahn namens "Societé ottomane du chemin de fer Smyrna - Cassaba et pronlongement (SCP)" schafft zwischen 1863 und 1890 eine nach Nordosten führende Strecke zu den Kohlevorkommen in Soma und in die Baumwollgegend um Alasehir. Vom Hafen Mersin aus folgt 1866 eine englische Stichbahn zur Großstadt Adana und der damals noch osmanische Großraum Damaskus erhält bis 1895 eine Zahnradstrecke zum Hafen Beirut in der französischen Spurweite von 1050 mm. Die Strecken der ORC und der SCP werden nach und nach verlängert und haben beide das Wirtschaftszentrum Konya zum Ziel, welches sie freilich nie erreichen werden. Trotz allem handelt es sich bei allen vier Bahnen um Stichbahnen, die einzig und allein dem Zwecke dienen, Rohstoffe möglichst rasch dem nächstbesten Hafen zuzuführen. Da auch der Gewinn der Bahnen zu 100% an die ausländischen Betreiber geht, erfüllt keine der Linien irgendein türkisches Verkehrsinteresse, dafür darf das Osmanische Reich aber sogar seine Steuereinnahmen verpfänden, um den Bau der fremden Bahnen voranzutreiben. Das Osmanische Reich kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht einmal annähernd nachkommen und muß 1875 schließlich den Staatsbankrott erklären. Die Gläubigernationen ernennen die zur Schuldenverwaltung eigens von ihnen ins Leben gerufene Otomanbank zur offiziellen Staatsbank - und erhalten so ungehinderten Zugriff auf die türkische Innenpolitik...

Türkische Projekte

Die türkische Regierung ("hohe Pforte") hat natürlich trotz allem versucht, eigene Bahnprojekte zu verwirklichen. Zur Stabilität des Reiches war es von großer Bedeutung, eine 2500 km lange Diagonalverbindung von Konstantinaopel bis nach Bagdad zu schaffen. Also versuchte man ab1870, diese Linie in Angriff zu nehmen, obwohl der Regierung durch die Otomanbank nur ein "Taschengeld" zur Verfügung gestellt wurde. Tatsächlich mußte 1873 das große Projekt nach 92 km in Izmit aus akutem Geldmangel abgebrochen werden. Die fertige Strecke wurde von einer englischen Gesellschaft übernommen. Ein zweites Projekt sollte die Großstadt Bursa mit der Küstenstadt Mudanya verbinden. Die Schmalspurbahn wurde gerade zur Hälfte fertiggestellt, dann jedoch einem ausländischen Investor abgetreten. Nach Fertigbau und abermaligem Besitzerwechsel (verbunden mit Umspurung) dümpelte die Linie vor sich hin und wurde schließlich 1948 stillgelegt.

Deutsche Bahnlinien

Vor 1882 hatte Deutschland keinerlei Interesse am Orient - aus Rücksicht auf mögliche Bündnisse in Europa. Da die Türkei für England nach dem Einmarsch in Ägypten zusehends uninteressanter wurde (man hatte nun eigene Basisstationen für den Suezkanal), gab Bismarck schließlich grünes Licht für deutsche Unternehmungen. Allerdings komplett auf eigenes Risiko ohne staatliche Beteiligung. Deutschland, daß sich bislang neutral gegenüber der Türkei zeigte, galt als befreundete Nation. Dies vertiefte sich natürlich erst recht, als deutsche Banken gegen den Willen der Otomanbank der hohen Pforte einen bedeutenden Kredit gewährten. Als schließlich 1888 die Balkanbahnen des Baron Hirsch von Europa kommend Konstantinopel erreichen, wird plötzlich der Weiterbau der Strecke nach Izmit ins Hinterland auch für europäische Firmen interessant. Deutschland wird der Vorzug gegeben und so wird kurzerhand 1889 der englische Betreiber der bestehenden Linie zugunsten eines deutschen Konsortiums (u.a. Deutsche Bank) vor die Tür gesetzt (gegen Entschädigung, versteht sich). Die neugegründete deutsche CFOA (Chemin de fer Ottoman d´Anatolie) setzt bis 1892 den Bahnbau bis Angora (heute Ankara) fort und macht beträchtliche Gewinne: Wird das geplante Ergebnis nämlich nicht erzielt, muß halt die hohe Pforte die Verluste ausgleichen. Außerdem gehen sämtliche Vorkommen an Holz und Bodenschätzen im Umkreis von 20 km beiderseits der Strecke an die Bahn...Die selbstlosen deutschen Firmen (so jedenfalls klang es in einer Werbung der 1990 Jahre betreffend Deutsche Bank und Bagdadbahn) handelten also in keiner Weise anders als die englischen und französischen, die Türkei wurde sogar zum Zentrum des kolonialen Handelns Deutschlands.

Schließlich erhält die CFOA die Konzession zum Bau einer Strecke von Eskisehir nach Konya. Hiermit berührt man freilich empfindlich englische und französische Interessen, die ihre eigenen Bahnprojekte nach Konya fortan vergessen können. Die ORC bleibt folglich im völlig unbedeutenden Egridir stecken, die SCP schafft es immerhin noch bis an die Deutsche Linie heran nach Afyon. Heftige diplomatische Proteste bleiben nicht aus. Und nun mischt sich auch Rußland ein, daß ohnehin nicht an einem stabilen Osmanischen Reich interessiert ist - immerhin sehnt man sich nach einem Eisfreien Hafen, und außerdem könnte man die Bahn ja auch zum Aufmarsch gegen Rußland nutzen...

Russische Strecken

Schon seit 1888 existierte eine Breitspurlinie von Baku über Tiflis und Kars nach Sarikamis, die schließlich durch eine 750mm-Linie nach Erzurum ergänzt wurde. Alles in allem plant Rußland eine Verbindung Europa - Indien, da jenseits des Kaspischen Meeres die Strecke Krasnodovsk - Smarkand entsteht, die in erster Linie aus militärischen Gründen Afghanistan erreichen soll. Natürlich ist dies ein direkter Eingriff in englische Interessen...

Am 31.3.1900 schließt das Russische Reich schließlich einen Geheimvertrag mit der hohen Pforte ab, in dem Rußland sich das alleinige recht zum Bau von Bahnlinien in der Schwarzmeerregion sichert. Durch schwerste englische Proteste kommt es allerdings nicht mehr zum Bau von weiteren russischen Strecken. Und auch in der islamischen Welt stößt der Geheimvertrag auf Widerspruch, zumal Rußland an sich größten Wert auf eine Zerschlagung des Osmanischen Reiches legt. Um die Proteste zu besänftigen, wagt sich der Sultan folglich an ein muslemisches Prestigeprojekt: Eine Pilgerbahn nach Mekka!

Die Hedjazbahn

Um es kurz zu machen: Natürlich war die Hedjazbahn eher eine Militär- als eine Pilgerbahn, die die Herrschaft der Pforte über die Pilgerzentren sichern sollte. Da niemand in Europa sich an einer höchst unprofitablen Bahn durch menschenleere Wüsten beteiligen wollte, erfolgte die Finanzierung durch Spenden, Lohneinbehaltungen bei Staatsdienern und durch den unbezahlten Einsatz von Soldaten beim Bau. Da man eigentlich die französischen Strecken um Damaskus mitbenutzen wollte, übernahm man deren Spurweite. Allerdings scheiterte die Mitbenutzung aufgrund der zu erwartenden Konkurrenz, weswegen eigene Parallelstrecken gebaut werden mußten. 1908 wurde Medina erreicht, der Weiterbau nach Mekka scheiterte am Widerstand u.a. lokaler Karawanenführer und der 1908 erfolgten Absetzung des Sultans. Mit dem Bau einer rentablen Zweigbahn nach Haifa konnte aber immerhin ein beträchtliches Frachtaufkommen befördert werden.

Die Bagdadbahn

Eigentlich war ein deutsch-englisches Bündnis schon so gut wie sicher, doch stellte schon der Bau der CFOA-Linie nach Konya (bis 1897) die Beziehungen auf eine ernste Probe. Mit dem Rücktritt Bismarcks 1890 hatte die Deutsche Außenpolitik die Taktik des stabilen Gleichgewichts aufgegeben und sich vollends in Richtung Größenwahn gewandt. Da die Hohe Pforte Mitte der 90er Jahre einige Aufstände durch Truppentransporte über die Strecken der CFOA zügig beenden konnte, drängte der Sultan zum Weiterbau in Richtung Bagdad. Deutschland, von sich als aufstrebende Supermacht überzeugt, sah gleichzeitig im Bau der Bagdadbahn eine hervorragende Demonstration deutschen Könnens. Der Kaiser demonstrierte dies augenfällig durch sein Reise in den Orient bis November 1898. Natürlich war abzusehen, daß die Linie keinerlei wirtschaftlichen Nutzen abwerfen würde, aber für einen Rücktritt war es bereits zu spät. Außerdem wollte man sich das im Irak vermutete Öl sichern... England reagiert kriegerisch, als es 1899 das Scheichtum Kuweit zum englischen Protektorat erklärt. Auf diese Weise will man verhindern, das Deutschland in der Golfregion zu großes Engagement zeigt und so die Verbindung nach Indien kappen könnte. Es schien wegen der Bagdadbahn also ein Krieg unmittelbar bevorzustehen, die Strecke an sich wies erhebliche Trassierungsprobleme auf und irgendein Nutzen war nicht zu erwarten (außer natürlich Truppentransporte). Trotzdem schritt man 1903 in Konya zur Tat - und blieb erst einmal nach 200 km im völlig unbedeutenden Burgurluk stecken; die Pforte konnte die Kilometergarantien nicht mehr gewährleisten... In Europa wird die Affäre in den Medien extrem hochgespielt, und die Bagdadbahn wird zu DEM Politikum schlechthin. Doch trotz aller Proteste und Gefahren und aller topografischen Probleme zum Trotz wird bis 1917 ein Großteil der Linie fertiggestellt. Daß man dabei die englische Linie Mersin - Adana gleich mitgeschluckt hatte, heizte den Konflikt zusätzlich an. Freilich bestanden größere Lücken: Im Taurus - und im Amanusgebirge (westl., bzw. östl. von Adana) und im heutigen Irak waren bedeutende Tunnelbauwerke nicht endgültig fertiggestellt, so daß eine Feldbahn die Lücken schließen mußte. Und alles schien sich noch einmal zum Guten zu wenden: Immerhin konnte England noch 1914 vertraglich festlegen, daß Deutschland außer der Bahn keine weiteren Ambitionen verfolgen würde. Wenigstens die Bagdadbahn war als Auslöser von Kriegen somit vom Tisch...

Was natürlich nicht heißt, daß es nicht doch zum großen Knall kam. Die Bagdadbahn konnte zwar mittels der Feldbahn erstaunliches Leisten, hatte jedoch bei weitem nicht die Kapazitäten einer Normalspurstrecke. Es blieb ihr Schicksal, niemals in ihrer vollen Länge ihrer strategischen Idee gemäß benutzt zu werden, und durch die Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg wurde sie sogar ihrer Existenzgrundlage vollends beraubt...

Kriegsfolgen

Der erste Weltkrieg endet in der Türkei nach heftigen und verlustreichen Seschlachten um die Meerengen - erwähnt sei vor allem die noch heute für die Aliierten ein Trauma darstellende Schlacht um Gallipoli - am 10.8.1920 mit dem Frieden von Sevres. In der Folge wird das Osmanische Reich zerschlagen und sein Gebiet aufgeteilt. Das gesamte Staatsgebiet südlich des Bagdadbahnabschnittes Fevzipaú a - Nusaybin fällt fort und bildet heute die Staatsgebiete von Syrien und Irak. Die gesamte europäische Türkei und das griechische Siedlungsgebiet um Smyrna wird von Griechenland beansprucht, in den Landesteilen östlich von Erzurum erklärt sich von 1918 - 1920 Armenien vorübergehend unabhängig. Ebenfalls vorübergehend wird die Südküste unter die Verwaltung französischer und italienischer Truppen, weite Teile Anatoliens unter englische Verwaltung gestellt. Der Bagdadbahn wird somit- nicht einmal durchgehend fertiggestellt - die Existenzgrundlage vollends entzogen: der Abschnitt Nusaybin- Bagdad liegt heute größtenteils auf Irakischem Staatsgebiet, während Aleppo und die Bahnlinie dorthin Syrien zugefallen ist.

Bereits 1921 werden erste Schritte zur Bildung einer türkischen Staatsbahn in Gang gesetzt: Die französische Besatzungsmacht übergibt, genötigt durch Mustafa Kemal Atatürk, der den Einfluß fremder Mächte in der Türkei weitgehend zu unterbinden sucht, den ihrer Kontrolle unterworfenen Streckenabschnitt der Bagdadbahn zwischen Cobanbey und Nusaybin inclusive des exterritorialen Abschnittes nach Aleppo dem türkischen Staat - die Betriebsrechte obliegen allerdings der dafür eigens eigerichteten französischen Betreibergesellschaft Chemin de fer de Cilicie - Nord-Syrie.

Im Mai 1927 verschmelzen die Chemin de fer d`Anatolie - Bagdad, hervorgegangen aus der Zusammenlegung der übrigen Bagdadbahnstrecke Yenice - Konya und der (weiterhin deutsch majorisierten) CFOA, mit der Linie Mersin - Adana zur TCDD: Gegen Zahlung von 443,8 Mio Schweizer Franken gehen die Strecken der CFOA in Besitz des türkischen Staates über.

Nach türkisch-syrischen Spannungen geht die französische Betriebsgesellschaft im südlichen Grenzgebiet in Liquidation und wird bei französischer Kapitalmehrheit von der TCDD betrieben. Die somit entstandene Nachfolgegesellschaft CD (Cenup Demiryollari) geht schließlich 1948 vollständig in den Besitz der TCDD über.

Die Strecken der ORC und SCP stehen im ersten Weltkrieg unter Militärhoheit und erleiden im türkisch - greichischen Krieg teilweise starke Zerstörungen. Nach Rückgabe der Betriebsrechte und Beseitigung der Schäden läuft der Betrieb normal weiter, bis 1934 (SCP) , bzw. 1935 (ORC) nach Ablauf der Konzessionen beide Gesellschaften gegen Zahlung größerer Geldbeträge verstaatlicht werden.

Streckenneubauten der türkischen Republik - Bahnbau rein im nationalen Interesse

Nach dem Sieg der Türken über Griechenland (mit daraus hervorgehender Rückgabe des heutigen europäischen Teils der Türkei) wird 1923 Mustafa Kemal Atatürk Staatsoberhaupt der neugegründeten türkischen Republik. Vordringliches Ziel seiner politischen Pläne war die Schaffung einer homogenen türkischen Nation im Sinne einer umfassenden Modernisierung und Umwandlung des Landes zu einem Industriestaat westlicher Prägung. Traditionalistische und religiöse Einflüsse auf die Politik weden erheblich beschnitten, und als offizielle Amtssprache wird allen Volksgruppen im nunmehr deutlich verkleinerten Vielvölkerstaat Türkisch aufoktruiert. Kulturelle Eigenheiten fallen - auch gegen den Willen der betroffenen Minderheiten - einer neuzuschaffenden türkischen Identität zum Opfer. Besonders in Kurdistan entsteht hierdurch ein latent andauerndes Streben nach Unabhägigkeit, das Mitte der 1990er Jahre zum bewaffneten Guerilliakampf eskalieren wird.

Von größter Bedeutung ist es für Atatürk, ausländische Einflüsse auf innertürkische Belange ein für allemal zurückzudrängen - neben der Verstaatlichung der ausländischen Bahnunternehmen bedeutet dies vor allem, künftige Eisenbahnprojekte mit eigenen Mitteln in rein türkischem Interesse zu verwirklichen - ohne dabei wieder in wirtschaftliche und politische Abhängigkeit zu geraten.

Das bisherige Eisenbahnnetz ist natürlich deutlich unterentwickelt: Mehr oder weniger unbedeutende Stichbahnen, die keinerlei Verbindung untereinander haben, die von einfachstem Standart sind und große Landesteile unberührt lassen.

Folgende Projekte sind daher von vordringlicher Wichtigkeit:

Mit der Durchführung der Bauarbeiten und der Beschaffung des rollenden Materials werden - nicht zuletzt aus Gründen der Solidarität unter Kriegsverlierern - vor allem deutsche Unternehmnungen beauftragt - diesmal allerdings vollstänig im Auftrag und auf Kosten der Türkischen Republik.

Der deutschen Eisenbahnindustrie eröffnet sich hiermit ein idealer Absatzmarkt für ihre Produkte, da Aufträge aus dem Ausland auch weiterhin als gewöhnliches Geschäft behndelt werden dürfen und nicht, wie große Teile der Produktion für den deutschen Markt, den alliierten Reparationsforderungen zum Opfer fallen.

Neubaustrecken im Osten

In den 20er und 30er Jahren werden folgende Eisenbahnprojekte in Angriff genommen, deren Vollendung sich zum Teil bis in die 70er Jahre hinzieht:

Als erste Neubaulinie geht 1927 die bereits im türkisch-griechischen Kreig begonnene Strecke Ankara - Kayseri in Betrieb, deren Verlängerung nach Sivas bis zum 31.8.1930 folgt. Am 15.12.1932 erreicht das vom Schwarzmeerhafen Samsun aus vorangetriebene Gleis Sivas, um über Erzincan (1938) schließlich am 20.10.1939 in Erzurum an die im ersten Weltkrieg (das Umland von Kars war zeitweise dem Russischen Reich angegliedert worden) von Russland erbaute 750 mm- Linie nach Sarikamiú anzuschließen. Die schmal-, bzw. breitspurigen Abschnitte Erzurum - Sarikamiú und Sarikamiú - Kars werden bis 1957, bzw.1962 auf Normalspur umgebaut.

Im Süden erreicht die in Fevzipaúa von der Bagdadbahn nord-ostwärts abzweigende Neubaustrecke 1931 Malatya, 1934 Elaziğ und 1935 Diyarbakir, während ein Abzweig von Malatya an die neue Nordlinie bei Çetinkaya 1937 eröffnet wird. Neben der Erschließung Kurdistans dient die neue Linie vor allem zur Bedienung der großen Kupfervorkimmen bei Ergani. 1944 werden schließlich die Ölfelder von Kurtalan in Richtung Diyabakir angeschlossen.

Zwischen 1946 und 1974 gelingt der Anschluß Irans an das türkische Eisenbahnnetz über Elaziğ - Mus - Van (Trajektverkehr über den Van-See)- zur iranischen Grenze bei Kapiköy.

Seit 1961 zweigen von der Malatya-Linie eine kurze Stichbahn zum Anschluß Kahrmanmaraú und, geführt über Gaziantep, eine Verbindung zur Bagdadbahn nach Fevzipaúa ab. Mit Hilfe dieser Linie kann der Betrieb auf der Strecke nach Nusaybin rein über türkisches Staatsgebiet abgewickelt werden, ohne dabei den in Syrien liegenden Streckenast über Aleppo zu benutzen.

Mit der 1937 verwirklichten Linie von der Kohleregion bei Zonguldak an der Schwarzmeerküste - hier wird auf Basis der bei Divrigi gelagerten Erze eine Kette von Stahlwerken aufgebaut - nach Irmak und der Verbindung Kayseri- Ulukiúla (Anschluß an die Taurusstrecke der Bagdadbahn nach Adana) von 1933 wird eine nord-süd Verbindung geschaffen, die eine ernstzunehmende Konkurrenz des Schiffsverkehrs Schwarzmeerküste- Bosporus - Dardanellen- Mersin darstellt.

Rund 100 Km westlich von Zonguldak geht 1953 ein rund 30 Km langes Teilstück der geplanten Verlängerung der Montanbahn von Ereğli nach Armutcuk in Betrieb, das bis Zonguldak weitergebaut werden soll. Die aufwendige Trassierung entlang der gebirgigen Nordküste stellt den Bahnbau jedoch vor zu große Schwierigkeiten, so daß heute lediglich dieses vom übrigen Netz isoliert liegende Streckenstück betrieben wird. Bis 1990 waren, durch die Insellage begünstigt, die letzten Dampflokomotiven der TCDD im schweren Kohleverkehr zum Stahlwerk in Ereğli zu beobachten.

Neue Verbindungslinien und Streckenerweiterungen im Westen

Zwischen 1928 bis 1932 erbauen deutsche Firmen eine Verbindung zwischen der ehemaligen CFOA und SCP zwischen Balikesir und Kütahya, die nicht zuletzt auch für den Truppentransport zu den Dardanellen konzipiert ist.

Zwischen den Linien der CFOA und ORC entsteht 1936 eine Strecke von Afyon nach Karakuyu, in deren Zusammenhang ebenfalls 1936 die Großstadt Isparta durch eine kurze Stichbahn von Bozanönü Schienenanschluß erhält. Eigentlich soll gleichzeitig ein in Gümüú gün abzweigender Schienenstrang bis nach Antalya geführt werden, doch bleibt die Linie alsbald in Burdur stecken, woran sich bis heute nichts geändert hat.

Trotz deutlicher Bevorzugung des Straßenverkehrs nach 1945 entsteht 1962 die 27 Km lange Stichbahn von Kütahya nach Seyitömer.

Schmalspurlinien

Erstaunlicherweise wurden - im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern der Welt - die dünnbesiedelten und abgelegenen Landstriche jenseits der wenigen Hauptstrecken nur in sehr geringem Umfang durch öffentliche Schmalspurbahnen erschlossen. Über die wenigen jemals existierenden Linien ist nur wenig bekannt. Neben der Bereits erwähnten Linie nach Bursa wären zu nennen:

Die Samsun - Çarúamba Eisenbahn

Die Familie des Tabakbarons Nemli Zade erhielt zu einem unbekannten Zeitpunkt die Konzession zum Bau und Betrieb einer 750-mm-Bahnlinie von Samsun nach Terme, von der nur ein rund ein drittel langes Teilstück bis 1926 auch tatsächlich eröffnet wurde. Der von Anfang an beteiligte Staat übernahm bereits 1927 die Linie vollständig und gab 1971 den Schmalspurbetrieb zugunsten einer Umspurung auf. Bis ganz zuletzt waren 1´C1´Tenderloks von Henschel im Einsatz.

Die Trabzon - Deizlik Eisenbahn

Bekannt ist von dieser Bahn vor allem die Tatsache, daß sie 1914 von einer französisch-belgischen Gesellschaft mit einer Spurweite von 1050 mm eröffnet wurde. Benno Bickel berichtet in "Die Hedschasbahn - Eine deutsche Eisenbahn in der Wüste", daß Frankreich als Gegenleistung für seine Zustimmung zur Erhöhung der osmanischen Einfuhrzölle (zur Finanzierung der Bagdadbahn) die Konzession zum Bau eines ausgedehnten Schmalspurnetzes an der Schwarzmeerküste erhielt - mitten im Einflußbereich des Russischen Reiches! Bis zum Kriegsausbruch kam es allerdings lediglich zum Bau der erwähnten Stichbahn, und eine Lieferung von je drei 1´C1´ und E-gekuppelten Tenderloks von La Meuse wurde 1914 von den Engländern abgefangen und zum Einsatz im Großraum der Hadjazbahn umdirigiert. Ihre Benutzung und ihr Verbleib in Palästina nach 1924 ist dokumentiert.

Die Bahnlinie Ilica - Palamutluk

Auch hier herrscht bezüglich Eröffnung, Betrieb und Stillegung weitgehend Unklarheit. Die Spurweite läßt sich aufgrund eines Fotos einer ehemals deutschen Heeresfeldbahnlokomotive ("Illing") auf 750 oder 600 mm festmachen, vermutlich wurde sie während des ersten Weltkrieges als Militäreisenbahn erbaut. Nachgewiesen ist eine Abfuhr von Mineralien, ebenso soll in den 40er Jahren öffentlicher Personenverkehr bestanden haben. Wahrscheinlich wurde der Betrieb 1958 aufgegeben.

Die Bahnlinie Kağª thane - Kemerburgaz - Ağaçlª - Çiftalan

Um den während des ersten Weltkrieges gestiegenen Kohlenbedarf Istanbuls decken zu können, erbaute das Militär 1916 eine vermutlich 600 oder 750mm-spurige Strecke zu den Bergwerken im weiteren Umfeld der Stadt. Vom nördlichen Ende des Goldenen Horns ausgehend, schlängelte sich die Linie durch das Hügelland, um sich in Pirgos (heute Kemerburgaz) zu verzweigen. Beide anschließenden Streckenäste verliefen in Richtung Schwarzmeerküste durch mehr oder weniger schwieriges Gelände: auf einer Streckenkarte fallen neben zahlreichen Kehrschleifen auch Spitzkehren bei Kªsªrmandªra und Çiftalan ins Auge. Nördlich von Ismail Hakkª Paúa liefen beide Äste wieder zusammen und endeten an der Küste. Der westliche Abschnitt verfügte über eine Gesamtlänge von 39 km, der östliche Abzweig war rund 20 km lang. Der Einsatz von wenigstens acht verschiedenen Lokomotiven der deutschen Bauart "Zwilling" (bzw. auseinandergekuppelt als sog. "Illing") ist anhand von Fotos belegt. Immerhin konnten auf der Bahn rund 900 t Kohle täglich befördert werden. Der Betrieb wurde 1952 eingestellt.

Anmerkung:
Der Vorliegende Text ist eine Kurzfassung eines Artikels vom selben Verfasser aus Fern-Express 4/2000. Wer weitergehende Details wünscht (oder näheres zum Schwerpunkt Reise- und Fototips, bzw. moderne Traktion) wünscht, kann ein Exemplar der Zeitschrift beim Verfasser ordern (s. Autorenseite)

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